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Krieg gegen Sternchen

Meri Disoski • Jan. 28, 2024

Im "Österreich-Plan" von ÖVP-Chef Nehammer geht's dem Binnen-I, dem Gender-Sternchen und dem Unterstrich an den Kragen. Statt Nebelgranaten zu werfen, sollte Nehammer die Gleichstellung vorantreiben.

Vergangenen Sommer erklärte uns die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner medienwirksam, für wie irrelevant sie das Thema „Gendern“ halte. Gleichzeitig setzte die von ihr angeführte ÖVP-FPÖ-Landesregierung ein „Genderverbot“ für niederösterreichische Landesbehörden als eines ihrer ersten gemeinsamen Regierungsprojekte um. Während ÖVP-Chef Nehammer im Vorjahr noch verlautbarte, seiner Meinung nach würde die Gender-Debatte den Blick auf die echten Probleme der Menschen verstellen, befeuert er sie im Superwahljahr höchstpersönlich und springt auf den Kulturkampf-Zug der Rechten auf. In seinem „Österreich-Plan“ wettert er wörtlich gegen den „Gender-Missbrauch“ und setzt damit ein Thema, das eigentlich keines ist.


Bekanntermaßen will die ÖVP bei den heuer stattfindenden Nationalratswahlen gezielt die Gunst von FPÖ-Wähler:innen für sich gewinnen. Unter ihnen ist die Ablehnung für geschlechterinklusives Formulieren besonders ausgeprägt. Nicht zufällig sind Plattheiten wie „Gender-Wahn“ oder „Anti-Genderismus“ in den letzten Jahren zu zentralen Kampfvokabel und antifeministischen Chiffren der Rechten geworden, die die ÖVP immer öfter übernimmt und damit salonfähig macht. Das bestätigt ein Blick in die aktuellen Tageszeitungen, so gut wie jedes Blatt widmet sich dem wieder entflammten Kulturkampf um Doppelpunkte, Unterstriche und Großbuchstaben. Nehammers „Krieg gegen Sternchen“ schaffte es sogar in die ZiB 2 – und damit in die wichtigste Nachrichtensendung des Landes. In den sozialen Medien diskutieren Befürworter:innen und Gegner:innen des Genderns, oftmals leider auf unterirdischem Niveau, wieso sie geschlechterinklusive Sprache vehement befürworten oder kompromisslos ablehnen.


Ich stimme mit der Vorarlberger ÖVP-Landesrätin Martina Rüscher überein, die in die Diskussion einstieg. Via Facebook richtete sie ihrem Parteichef aus, sie halte seine populistische Scheindebatte über Gender-Verbote für maximal irrelevant und empfahl ihm, er möge sich um frauenpolitisch wichtigere Themen kümmern. Auch ich finde: Statt sich vor Doppelpunkten, Großbuchstaben und Sternchen zu fürchten, sollte Karl Nehammer seine Energien darauf verwenden, Rahmenbedingungen für eine gerechtere, chancengleiche und selbstbestimmtere Zukunft unserer Töchter, Nichten und Enkelinnen zu schaffen. Denn Fakt ist: Mädchen und Frauen sind auch im Jahr 2024 immer noch vielfältig benachteiligt.




Reden wir also darüber, wie wir bis 2030 einen österreichweiten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung realisieren können. Denn einen solchen braucht es, damit Frauen das Ausmaß ihrer bezahlten Erwerbstätigkeit selbst bestimmen und nicht von den Öffnungszeiten des Kindergartens abhängig machen müssen. Lösen wir endlich das Problem der geschlechtsbedingten Gehaltsdiskriminierung, die mit knapp 17% in Österreich deutlich über dem EU-Schnitt liegt und Frauen über die gesamte Dauer ihres Berufslebens gerechnet Hundertausende Euro kostet. Schaffen wir endlich österreichweit die bestmögliche Gesundheitsversorgung für Frauen, zu der selbstverständlich auch ein niederschwelliger Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen gehört. Denken wir über die Wertigkeit von Arbeit nach, hinterfragen wir, wieso Branchen mit hohem Frauenanteil schlecht(er) bezahlt werde – und ändern wir das endlich.

Als Frauensprecherin der Grünen hat die Lösung dieser für mich höchste Priorität. Als studierte Sprachwissenschaftlerin kann ich nur die Stirn runzeln und den Kopf schütteln, wenn der ÖVP-Chef Menschen ihr Recht auf sprachliche Sichtbarkeit absprechen möchte. Und mit hell leuchtenden Nebelgranaten um sich wirft, statt pressierende Probleme zu lösen.



In gekürzter Version als Kommentar erschienen in der Kleinen Zeitung vom 28. Jänner 2024



Fotocredits: Screenshot Facebook-Seite Martina Rüscher


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Europa im Superwahljahr 2024: Ein Abtreibungsverbot in Polen, ein schikanöses Herzschlaggesetz in Ungarn, 20 Millionen Frauen innerhalb der EU, die keinen Zugang zu sicheren Abtreibungen haben. Ein europaweites Bündnis will das ändern. Hier kannst du es unterstützen!
von Meri Disoski 28 März, 2024
ÖVP-Frauenministerin Raab traf heute Expert:innen, um mit ihnen an einer „österreichischen Leitkultur“ zu arbeiten. Wieso lud die Frauenministerin dabei ausgerechnet eine Abtreibungsgegnerin zur Mitarbeit ein? Während in Frankreich das Recht auf Abtreibung auf Initiative der Grünen Senatorin Mélanie vor kurzem in der Verfassung verankert wurde, lädt Susanne Raab mit Katharina Pabel eine prononcierte Abtreibungsgegnerin in eine Arbeitsgruppe ein. Pabel ist Teil des Herausgeber-Beirats der „Zeitschrift für Lebensrecht“. Nomen est omen. WHerausgegeben wird die Zeitschrift von der konservativen deutschen „Juristen-Vereinigung Lebensrecht“ (JVL). Die JVL ist Teil der Bundesvereinigung Lebensrecht (BVL) und gehört in Deutschland damit zu den Organisator:innen der Anti-Abtreibungs-Demo „Marsch für das Leben“. Den kennen wir wiederum auch aus Österreich. Die hiesige Anti-Abtreibungs-Szene marschiert dabei einmal im Jahr durch die Wiener Innenstadt, ÖVP-Nationalratsabgeordnete wie Gudrun Kugler oder Norbert Sieber marschierten in der Vergangenheit mit. Im Beirat der „Zeitschrift für Lebensrecht“ tummeln sich neben Katharina Pabel weitere Persönlichkeiten, die christlich-fundamentalistische Positionen vertreten: Schwangerschaftsabbrüche und Scheidungen werden abgelehnt, LGBTIQ-Feindlichkeit offen zur Schau gestellt, Umpolungstherapien zur Heilung von Homosexuellen angepriesen. Eines der bekannteren Beiratsmitglieder ist die berüchtigte deutsche Homo-Heilerin Christl. R. Vonholdt. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin lehnt Homosexualität als „sündhaft“ ab, ist gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare und warnt vor der gleichgeschlechtlichen Ehe. Zeige mir deine Freunde und ich sag‘ dir wer du bist! Politische Kampfzone Frauenkörper Seit Jahren beobachten wir europa- und auch weltweit: Rechtspopulismus und Antifeminismus gehen Hand in Hand. Rechte und Konservative haben den Körper von Frauen und unser Recht, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, zur politischen Kampfzone erklärt. Ihre frauenverachtenden Diskussionen drehen sich um die Frage, ob Frauen der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gänzlich verboten oder zumindest radikal erschwert werden soll. So werden z.B. in Ungarn ungewollt Schwangere schikaniert. 2022 dekretierte Orbáns Innenminister per Ministerialverordnung, dass ungewollt Schwangere vor einer Abtreibung die Herztöne des Embryos anhören müssen. Schon 2020 führte die rechtskonservative PiS in Polen ein rigoroses Abtreibungsverbot ein. Weltweit setzte eine Welle der Solidarität mit den polnischen Frauen ein. Auch in Wien, wo sich auf meine Initiative hin auf dem Platz der Menschenrechte rund zweitausend Menschen versammelten, um gegen diese frauenverachtende und letzten Endes auch Frauenleben gefährdende Politik zu demonstrieren. Unterstützt wurden die Proteste von uns GRÜNEN, der SPÖ und NEOS – die ÖVP und die FPÖ fehlten genauso, wie klare Worte von Frauenministerin Raab.
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