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Wieso lädt die Frauenministerin eine Abtreibungsgegnerin ein?

Meri Disoski • März 28, 2024

ÖVP-Frauenministerin Raab traf heute Expert:innen, um mit ihnen an einer „österreichischen Leitkultur“ zu arbeiten. Wieso lud die Frauenministerin dabei ausgerechnet eine Abtreibungsgegnerin zur Mitarbeit ein?


Während in Frankreich das Recht auf Abtreibung auf Initiative der Grünen Senatorin Mélanie vor kurzem in der Verfassung verankert wurde, lädt Susanne Raab mit Katharina Pabel eine prononcierte Abtreibungsgegnerin in eine Arbeitsgruppe ein. Pabel ist Teil des Herausgeber-Beirats der „Zeitschrift für Lebensrecht“. Nomen est omen.

 

WHerausgegeben wird die Zeitschrift von der konservativen deutschen „Juristen-Vereinigung Lebensrecht“ (JVL). Die JVL ist Teil der Bundesvereinigung Lebensrecht (BVL) und gehört in Deutschland damit zu den Organisator:innen der Anti-Abtreibungs-Demo „Marsch für das Leben“. Den kennen wir wiederum auch aus Österreich. Die hiesige Anti-Abtreibungs-Szene marschiert dabei einmal im Jahr durch die Wiener Innenstadt, ÖVP-Nationalratsabgeordnete wie Gudrun Kugler oder Norbert Sieber marschierten in der Vergangenheit mit.

Im Beirat der „Zeitschrift für Lebensrecht“ tummeln sich neben Katharina Pabel weitere Persönlichkeiten, die christlich-fundamentalistische Positionen vertreten: Schwangerschaftsabbrüche und Scheidungen werden abgelehnt, LGBTIQ-Feindlichkeit offen zur Schau gestellt, Umpolungstherapien zur Heilung von Homosexuellen angepriesen. Eines der bekannteren Beiratsmitglieder ist die berüchtigte deutsche Homo-Heilerin Christl. R. Vonholdt. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin lehnt Homosexualität als „sündhaft“ ab, ist gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare und warnt vor der gleichgeschlechtlichen Ehe. Zeige mir deine Freunde und ich sag‘ dir wer du bist!

Politische Kampfzone Frauenkörper

Seit Jahren beobachten wir europa- und auch weltweit: Rechtspopulismus und Antifeminismus gehen Hand in Hand. Rechte und Konservative haben den Körper von Frauen und unser Recht, selbstbestimmt darüber zu entscheiden, zur politischen Kampfzone erklärt. Ihre frauenverachtenden Diskussionen drehen sich um die Frage, ob Frauen der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gänzlich verboten oder zumindest radikal erschwert werden soll.

 

So werden z.B. in Ungarn ungewollt Schwangere schikaniert. 2022 dekretierte Orbáns Innenminister per Ministerialverordnung, dass ungewollt Schwangere vor einer Abtreibung die Herztöne des Embryos anhören müssen. Schon 2020 führte die rechtskonservative PiS in Polen ein rigoroses Abtreibungsverbot ein. Weltweit setzte eine Welle der Solidarität mit den polnischen Frauen ein. Auch in Wien, wo sich auf meine Initiative hin auf dem Platz der Menschenrechte rund zweitausend Menschen versammelten, um gegen diese frauenverachtende und letzten Endes auch Frauenleben gefährdende Politik zu demonstrieren. Unterstützt wurden die Proteste von uns GRÜNEN, der SPÖ und NEOS – die ÖVP und die FPÖ fehlten genauso, wie klare Worte von Frauenministerin Raab.


Solidaritätsdemo gegen das Abtreibungverbot in Polen, Wien 2020. Copyright Verena Moser

In den USA kippte das (rechts)konservativ dominierte US-Höchstgericht im Jahr 2022 das landesweite Grundrecht auf Abtreibung, woraufhin Schwangerschaftsabbrüche in vielen US-Bundesstaaten verboten wurden. US-Mediziner:innen haben erforscht, was das Abtreibungsverbot für Frauen in den Vereinigten Staaten bedeutet. In 14 untersuchten Bundesstaaten sind zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 1. Jänner 2024 64.565 ungewollte Schwangerschaften durch Vergewaltigungen entstanden. 91% dieser Schwangerschaften konnten nicht unterbrochen werden, weil in einigen dieser Bundesstaaten Frauen auch nach einer Vergewaltigung (!) nicht abtreiben dürfen. Die von Ex-Präsident Donald Trump bestellten Höchstrichter und Höchstrichterinnen tragen jetzt die Verantwortung dafür, dass Amerikanerinnen weniger Rechte haben, als ihre Mütter und Großmütter. Und dafür, wenn im selbsternannten „Land of the free“ ungewollt Schwangere eine illegale durchgeführte Abtreibung im schlimmsten Fall mit ihrem Leben bezahlt.


Tu felix Austria?
Auch in Österreich geraten Selbstbestimmungsrechte von Frauen immer wieder unter Beschuss. So haben wir in der laufenden Legislaturperiode im Parlament mit den Petitionen „Abtreibungsverbot in Österreich“, „Fairändern“ und „Fakten helfen“ mehrere einschlägige Initiativen im Parlament behandelt. Sie fordern ein völliges Abtreibungsverbot, eine verpflichtende Bedenkzeit vor einem Abbruch bzw. Statistiken über Schwangerschaftsabbrüche sowie die Erhebung von Motiven. Mit „Fairändern“ und „Fakten helfen“ wurden zwei diese Initiativen auch von Politiker:innen von ÖVP und FPÖ unterstützt. Unter ihnen war ausgerechnet auch Frauenministerin Raab, die sich für eine Forderung der kirchennahen „Aktion Leben“ stark machte und deren Initiative für eine Abtreibungsstatistik bejahte. Einer Initiative, der wir Grüne von Beginn an eine klare Absage erteilten.

Artikel auf derStandard.at, 24.11.2020


Denn hinter solchen Forderungen verbirgt sich ein zutiefst patriarchales, bevormundendes Frauenbild. Ein reaktionäres Frauenbild, das Frauen abspricht, selbstbestimmte und gut informierte Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen zu können. Ein Frauenbild, das wir Grüne ablehnen.


Frauenministerin sollte Selbstbestimmungsrechte kompromisslos schützen 

Unsere Mütter und Großmütter haben für die Fristenlösung gekämpft und sie gegen erbitterte Widerstände von Kirche und Konservativen durchgesetzt. 50 Jahre später kämpfen wir immer noch für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und dafür, dass diese medizinischen Eingriffe österreichweit kostenfrei und wohnortnah in öffentlichen Spitälern durchgeführt werden. Von einer Frauenministerin erwarten sich die Frauen in Österreich zu Recht, dass sie an der Spitze dieser Kämpfe steht und sich schützend vor hart erkämpfte Selbstbestimmungsrechte stellt. Dass Susanne Raab stattdessen eine Abtreibungsgegnerin in eine Arbeitsgruppe einlädt, ist ein beispielloser Affront.

 

Wir Grüne stehen weiterhin geschlossen für einen bundesweiten Zugang zu sicheren, kostenfreien und legalen Schwangerschaftsabbrüchen in öffentlichen Spitälern. Dafür kämpfen wir weiterhin mit aller Kraft, Beharrlichkeit und vielen
Verbündeten weiter.


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